Das kleine rote Haus
(eine alte und beinah wahre Geschichte für Kinder)
Es war einmal ein kleines rotes Haus.
Es hatte ein grün bemoostes Dach und 54 winzig kleine Fenster.
Das kleine rote Haus mit dem grünen Dach und den vielen winzig kleinen Fenstern stand in einem winzig kleinen Wald auf einer kreisrunden winzig kleinen Lichtung.
In diesem kleinen roten Haus wohnte eine kleine Elfe. Sie liebte ihr kleines rotes Haus und legte Wert darauf, jeden Tag einmal aus jedem ihrer 54 Fenster hinaus zu schauen. Sie lebte jeden Tag so leicht und beschwingt, dass sie das Wort "Sorge" gar nicht kannte.
Daher musste sie einmal nachfragen, als der kleine alte Troll, der sie an einem sonnigen Morgen in ihrem kleinen roten Haus besuchen kam, mit einem traurigen Blick sagte:
" Ich habe eine ganz große Sorge."
"Sorge? Was ist das? Wieso tanzt und singst du nicht mit mir und freust dich, dass die Sonne scheint?"
Der kleine alte Troll seufzte so laut er konnte. "Ich glaube, wir müssen umziehen, kleine Elfe."
"Umziehen? Wie meinst du das?" wunderte sich die kleine Elfe und strich ihre schimmernden Schmetterlingsflügel glatt. Allmählich begann sie sich über den kleinen alten Troll zu wundern. Gewöhnlich erzählte er ihr eine fabelhafte Geschichte über kleine lustige Tiere und brachte ihr eine kleine frisch gepflückte Blume mit. Aber heute blieb die winzig kleine Vase auf ihrem winzig kleinen Holztischchen leer und eine lustige Tiergeschichte hatte sie auch noch nicht gehört.
Der kleine alte Troll nahm seinen winzigen Strohhut ab und drehte ihn verlegen hin und her. Wieder seufzte er laut. Er schaute in den Himmel und meinte dann mit leiser Stimme: "Gestern in der Nacht habe ich gesehen, wie die hässliche Hexe Donnawetta einen verwunschenen Schlüssel in unseren tiefen Brunnen geworfen hat. Und als ich heute morgen meinen Becher am tiefen Brunnen mit Wasser füllen wollte, war kein Wasser mehr darin. Stell dir vor, im ganzen Wäldchen kein Wasser mehr! Ich bin durstig, kleine Elfe, und du wirst auch bald durstig werden, und die Blumen und Bäume in unserem kleinen Wald auch. Was, wenn wir sie nicht mehr mit dem wunderbaren Brunnenwasser gießen können? Du weißt, in unserem Wäldchen regnet es nie!"
"Regnen, was ist das?" fragte die kleine Elfe erstaunt. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis der alte kleine Troll der kleinen Elfe alles erklärt hatte. Schließlich wurde die kleine Elfe ganz still und nachdenklich.
Aber dann ging sie erst einmal zum winzig kleinen Holztischchen und gab dem alten kleinen Troll aus der kleinen Blumenvase zu trinken.
Sie selbst nahm ein paar Tautropfen vom Grashalm, der im Schatten ihres kleinen roten Hauses wuchs.
"So, kleiner alter Troll," sagte sie dann mit einem aufmunternden Lächeln, "jetzt werden wir überlegen, wie wir den verwunschenen Schlüssel aus dem tiefen Brunnen holen!"
Der kleine alte Troll nickte. Nebeneinander saßen sie auf der winzig kleinen Holzbank vor dem kleinen roten Haus und dachten nach. Sie dachten lange nach. Die Vögel zwitscherten heute nicht, und die Ruhe um sie herum machte ihnen ein ganz kleines bisschen Angst.
Schließlich sagte die kleine Elfe:" Ich muss heute noch durch jedes meiner 54 winzig kleinen Fenster schauen - ich bin gleich wieder zurück, kleiner alter Troll." Der kleine alte Troll aber antwortete nicht, er war vor Erschöpfung eingeschlafen.
Die kleine Elfe ging in ihr kleines rotes Haus, breitete ihre Schmetterlingsflügel aus und flatterte an jedem ihrer 53 winzig kleinen Fenster vorbei und sie erfreute sich an dem Ausblick auf Blumen und Bäume des winzig kleinen Wäldchens.
Das 54. Fenster aber, ganz oben in der Dachstube, war ein ganz besonderes Fenster. Es bestand aus leuchtendem Zauberglas, und aus diesem 54. winzig kleinen Fenster konnte die kleine Elfe bis in den Hexenwald schauen.
Als sie nun oben im Dachgiebel aus dem 54. und allerkleinsten ihrer winzig kleinen Fenster schaute, sah sie die hässliche Hexe Donnawetta in der Ferne ihre Flugübungen auf dem Besen machen. Vögel hatten der kleinen Elfe einmal erzählt, dass Donnawetta noch nicht alle Hexenprüfungen bestanden hatte - offenbar war das Fliegen auf dem Besen auch nicht Donnawettas Stärke. Die kleine Elfe konnte erkennen, dass sie bei jedem Windstoß gefährlich schwankte.
Plötzlich hatte die kleine Elfe eine Idee.
Sie nahm ihren sternesprühenden Zauberstab aus der Tasche ihres Elfenkleides und in dem Moment, als sie sah, wie die hässliche Hexe Donnawetta auf ihrem Besen über den in der Ferne liegenden großen Hexen-See flog, ließ sie eine funkelnde, riesengroße Fontäne sprühenden Sternenstaubes aus dem Schornstein ihres kleinen roten Hauses aufsteigen.
Die hässliche Hexe Donnawetta erschrak fürchterlich, strampelte und fuchtelte auf ihrem Besen, verlor mit einem lauten Schrei das Gleichgewicht und stürzte kopfüber mit einem ohrenbetäubenden Kreischen in den See.
Die kleine Elfe konnte aus ihrem 54. Fenster im Dach ihres kleinen Hauses alles beobachten und freute sich. Doch dann sah sie die verzweifelt um sich schlagende, planschende hässliche Hexe Donnawetta, die offensichtlich auch das Schwimmen nicht beherrschte.
Sie öffnete das Dachfenster und rief den großen Uhu, der im benachbarten großen Wäldchen in einem großen Baum in seiner Höhle schlief. Nach dem vierten Elfenruf wurde er wach, ließ sich alles erklären und rappelte sich dann auf - noch etwas verschlafen, das war wirklich nicht seine Zeit -, um zum Hexen-See zu fliegen und die hässliche, kreischende Hexe Donnawetta aus dem Wasser zu fischen.
Als der große Uhu mit der triefnassen, strampelnden und kreischenden hässlichen Hexe Donnawetta im Schnabel vor dem kleinen roten Haus landete, standen die kleine Elfe und der durch den Lärm wieder erwachte kleine alte Troll schon erwartungsvoll bereit. Sie baten den Uhu, die schimpfende, zappelnde und nasse hässliche Hexe Donnawetta nicht eher loszulassen, als bis sie den verwunschenen Schlüssel aus dem tiefen Brunnen heraus gehext hätte.
Die hässliche Hexe Donnawetta musste mehrere Zaubersprüche ausprobieren, bis sie den richtigen fand. Aber endlich kam der verwunschene Schlüssel auf sie alle zu geschwebt und landete sanft in der winzig kleinen Hand der kleinen Elfe.
Die kleine Elfe steckte den verwunschenen Schlüssel in das Schloss der kleinen Tür ihres kleinen roten Hauses und plötzlich hatten alle ihre 54 winzig kleinen Fenster funkelnde Sterne auf ihren Fensterscheiben, genau das hatte sie sich insgeheim schon immer gewünscht.
Der große Uhu ließ endlich die strampelnde hässliche Hexe Donnawetta los, so dass sie plumpsend zu Boden fiel. Wütend und nass und besenlos wie sie war, musste sie nun den ganzen Weg bis zu ihrer in der Ferne im Hexenwald liegenden Hütte zu Fuß gehen.
Alle Bewohner des kleinen und des großen Waldes wussten aber nun, dass die hässliche Hexe Donnawetta ihnen nichts mehr anhaben konnte. In Gegenden, in denen Häuser mit sternenfunkelnden Fenstern zu finden sind, sind Hexenflüche machtlos.
Der Uhu gähnte und flog zurück auf seinen großen Baum, schlüpfte in seine Höhle, zupfte sein Gefieder zurecht und fiel wieder in einen tiefen Schlaf.
Der alte Troll seufzte erleichtert, setzte seinen winzigen Strohhut auf und ging mit der kleinen Elfe zum tiefen Brunnen. Sie füllten ihre kleinen Becher mit perlendem, wunderbarem Brunnenwasser und tranken bis sie nicht mehr durstig waren. Danach füllten sie die kleine Blumenvase mit kühlem Wasser, pflückten eine kleine Blume und stellten sie in die kleine Vase.
Sie setzten die kleine Blumenvase auf das kleine Holztischchen und der kleine alte Troll nahm wieder Platz auf der kleinen Holzbank vor dem kleinen roten Haus mit dem grünen Dach und den 54 winzig kleinen sternenfunkelnden Fenstern.
Die kleine Elfe ging ins Haus und kam mit einer kleinen Schreibfeder und einem kleinen Blatt Papier zurück. Gemeinsam saßen sie nun auf der kleinen Holzbank und überlegten, wie sie beginnen sollten. Dann schrieb schließlich die kleine Elfe in wunderschön geschwungener Schrift:
"Liebe hässliche Hexe Donnawetta,
wir möchten dich einladen," ….
aber das ist eine andere Geschichte.
von Maria